Antifa

Im Kessel von Dresden

14. Februar 2013 - 18:03 Uhr - 7 Ergänzungen

Auch im vierten Jahr in Folge gab es für die Nazis in Dresden nichts zu holen (Fotos 1 | 2 | 3 | 4 | 5). In den frühen Abendstunden hatten mehrere tausend Menschen Teile der Ausweichroute auf der Parkstraße unweit des Dresdner Stadions blockiert. Den etwa 300 Nazis blieb für mehr als drei Stunden nichts anderes übrig, als auf ein freiwilliges Ende der Blockaden zu hoffen. Zuvor war auch der Versuch von etwa 400 Nazis am Dresdner Hauptbahnhof gescheitert, zum angemeldeten Startpunkt ihrer Demonstration in der Johannstadt vorzustoßen. Abgesehen von einem kleinen Häuflein NPD-Landtagsabgeordneter -und Mitarbeiter, welche sich am Abend des 13. Februars ungestört am Auftaktort ihrer geplanten Demonstration einfinden und mit Polizeibgleitung in die Nähe des Hauptbahnhofs laufen konnten, ermöglichte das defensiv ausgerichtete Einsatzkonzept der Polizei jederzeit einen direkten Protest in Hör- und Sichtweite der Nazis.

Bereits gegen Mittag hatten sich auf dem Friedrich-List-Platz etwa 2.000 Menschen zum Mahngang „Täterspuren“ eingefunden. Während der Rundgang auf den Spuren nationalsozialistischer Verbrechen zwei Jahre zuvor noch durch die Verantwortlichen in der Stadt verboten worden war, hat der erneute Erfolg mit zum Schluss knapp 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern deutlich gemacht, dass sich offensichtlich immer mehr Menschen in der Stadt mit den eigentlichen Ursachen des Zweiten Weltkriegs auseinandersetzen wollen. Als gegen Ende des bunt gemischten Spaziergangs mehrere Plätze in unmittelbarer Nähe zum Auftaktort der Nazidemonstration durch einige hundert Menschen blockiert werden konnten, zeigte sich, dass es gänzlich im Widerspruch zu den juristischen Entscheidungen der letzten Monate auch in diesem Jahr wieder zu Blockaden kommen würde.

Dem Erinnern an elf Orten nationalsozialistischer Gräueltaten gegenüber stand auch in diesem Jahr wieder das offizielle Gedenken auf dem Heidefriedhof im Norden der Stadt, zu dem trotz der von den Dresdner Verkehrsbetrieben eingesetzten kostenlosen Shuttlebussen nur etwa 200 vor allem ältere Menschen kamen. In ihrer Rede erinnerte Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) neben zahlreicher Parteiprominenz erneut an das individuelle Schicksal der Dresdner Bevölkerung bei den alliierten Bombardierungen der Stadt im Februar 1945. Gleichzeitig erteilte sie einer „neuen Gedenk-Kultur“ mit der Begründung eine Abfuhr, dass das „Erinnern an den millionenfachen Tod in diesem Krieg, an die Zerstörung Dresdens oder Warschaus, Coventrys, Hamburgs oder Hiroshimas, an die Opfergänge Rotterdams, Leningrads, Stalingrads oder Lidices“ wachgehalten werden müsse, um eine Versöhnung zu ermöglichen. Etliche Stunden zuvor hatte auch die NPD-Landtagsfraktion ihre Kränze auf dem Heidefriedhof abgelegt.

Im Anschluss an das Gedenken versammelten sich wie schon in den vergangenen Jahren mehrere tausend Menschen in der Dresdner Innenstadt, um mit dem Symbol einer vom Rektor der TU-Dresden angemeldeten Menschenkette für „Mut, Respekt und Toleranz“ und eine weltoffene Stadt zu werben. Parallel zur Menschenkette hatten sich um 18 Uhr am Hauptbahnhof schon mehrere hundert Menschen und etwa 400 Nazis (Fotos) eingefunden. Die Nazis, welche mit Zügen aus den umliegenden Städten angereist und von der Bundespolizei auf der Bayrischen Straße gesammelt worden waren, mussten anschließend, umringt von hunderten protestierenden Menschen, bis zu ihrer Abreise hinter dem Bahnhof ausharren. Nur einer Gruppe von etwa 100 Nazis gelang es, ohne Polizeibegleitung mit Fackeln und Fahnen die Budapester Straße entlang zu ziehen.

Etwa zur gleichen Zeit trafen knapp 300 Nazis aus Heidenau am S-Bahn Haltepunkt Strehlen ein. Nachdem die Polizei mehrere Blockadeversuche geräumt bzw. die Nazis daran vorbeigeleitet hatte, kam es im Bereich des Lennéplatzes für kurze Zeit zu chaotischen Szenen, als Nazis im Laufschritt immer wieder mit Schneebällen, Knallern und einigen wenigen Flaschen beworfen wurden. Dabei versuchten diese immer wieder aus dem zu dem Zeitpunkt noch lockeren Polizeispalier auszubrechen, um Jagd auf vermeintliche Werferinnen und Werfer zu machen. Wenig später gelang es schließlich einer Gruppe von knapp 50 Menschen, die Straße und damit den Naziaufmarsch zu blockieren. Nur kurz darauf machte der mittlerweile auf etwa 3.000 Menschen angewachsene Kessel um die frierenden Nazis herum klar, wie vielfältig der Protest in Dresden inzwischen geworden ist. Während sich die Nazis auf der einen Seite abwechselnd klassische Musik und Hetzreden anhören mussten, wurden sie auf der anderen Seite über Stunden mit Musik beschallt und mussten immer wieder den zahlreichen Schneebällen ausweichen, die auf sie niederregneten.

Der Erfolg am gestrigen Tag ist jedoch auch auf eine veränderte Einsatzstrategie der Polizei zurückzuführen, die erneut auch in brenzligen Situationen deeskalierend auftrat. Schon im Vorfeld hatte Dresdens Polizeipräsident Dieter Kroll angekündigt, ungeachtet von Blockaden nicht für Nazis „kämpfen“ zu wollen und damit indirekt das Desaster von vor zwei Jahren als taktischen Fehler zugegeben. Damals war es bei dem Versuch, mehrere von Nazis angemeldete Aufmärsche in der Stadt gewaltsam durchzusetzen, zu stundenlangen Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und der Polizei gekommen. Ganz anders stellt sich die Situation 2013 dar: In diesem Jahr wurden nach Polizeiangaben insgesamt nur fünf Personen in Gewahrsam genommen, sechs Beamte wurden bei kleineren Auseinandersetzungen am Rande des Geschehens verletzt.

Nachdem es zuvor schon auf dem Heidefriedhof zu wenigen Personalienfeststellungen durch übereifrige Ordnungskräfte gekommen war, kam es auch am Abend vor der Dresdner Frauenkirche zu einigen unschönen Szenen, als eine Personengruppe, die sich am 17. Jahrestag der Auflösung von Take That vor der Kirche versammelt hatte, von Bürgerinnen und Bürgern zunächst verbal attackiert und später von der Polizei kontrolliert wurde. Der Umgang mit Kritik und die fehlende Bereitschaft, sich mit der überholten Form des Gedenkens auseinanderzusetzen sind Sachen, die es in den nächsten Jahren zu kritisieren gilt. Zugleich hat der Erfolg der Blockaden inzwischen dazu geführt, dass der Mobilisierungserfolg auf Seiten der Nazis seit Jahren kontinuierlich gesunken ist. So sank die Zahl von mehr als 6.000, die am 13. Februar 2010 vom Neustädter Bahnhof aus demonstrieren wollten, auf inzwischen nur noch 700 zusehends frustiert wirkenden Nazis. Ein Erfolg, der weniger mit der Menschenkette, als vielmehr mit der Bereitschaft tausender Menschen zu tun hat, sich trotz massiver Kriminalisierungs- und Repressionskampagnen in Sachsen, nicht von ihrem Vorhaben haben abbringen lassen, einen der letzten großen Naziaufmärsche in Deutschland Geschichte werden zu lassen.

Weiterer Artikel: Dresden: Last Nazi standing?


Veröffentlicht am 14. Februar 2013 um 18:03 Uhr von Redaktion in Antifa

Ergänzungen

  • von solch frustierten menschen möchte ich meine eltern nicht pflegen lassen,noch möchte ich selbst mal von ihnen gepflegt werden.die leute haben doch selbst einen sack voll problemen am hals. wem ist denn diese schnapsidee eingefallen, der sollte wegen unfähigkeit entlassen oder abgestuft werden.

  • Die Worchpartei hat einen Brief über die „Polizeigewalt“ in viele Sprachen (sogar vietnamesisch!) übersetzt und träumt von einer weltweien Medienkampagne.

    Auf AM schreibt ein user dazu: „Die heiße Phase des Volksbefreiungskrieges hat begonnen!“.

    Den Kunden ist die Party am Lennéplatz aber ordentlich auf den Kopf geschlagen.

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