Kommission stellt in Dresden neue Opferzahlen vor
14. Oktober 2008 - 14:13 Uhr - Eine Ergänzung
Im Rahmen der gerade an der Technischen Universität stattfindenden Deutschen Historikertage stellte die von der Stadt Dresden 2004 in Auftrag gegebene Kommission zum 13. Februar ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit vor. Als Ort der etwa zweistündigen Veranstaltung wurde bewusst oder unbewusst der nach dem ehemaligen Waffen-SS Mitglied und jetzigen Eigentümer der Metro AG Otto Beisheim benannte Saal der Fakultät Wirtschaftswissenschaft gewählt.
Nach Jahren der Ungewissheit beschloss im November 2004 der damalige Oberbürgermeister der Stadt Dresden Ingolf Roßberg die Einberufung einer Historikerkommission aus Mitgliedern verschiedenster wissenschaftlicher Richtungen, um die genaue Zahl der Opfer der alliierten Luftangriffe im Februar 1945 auf Dresden zu ermitteln. Die Forschungsergebnisse dürften gerade für Holocaust-relativierende Positionen aus dem rechten Lager ein schwerer Schlag sein. Schon die ersten Zahlen vom März 1945 machen deutlich, wie offensichtlich in den Folgejahren Opferzahlen erhöht wurden, um den Mythos der völlig zerstörten Stadt zu schaffen. Nach Schätzungen der Stadtverwaltung und der Polizei nur einen Monat nach den Angriffen, kamen knapp 25.000 Menschen ums Leben. In Zeiten des Kalten Krieges wurde diese Zahl sicherlich auch aus Propaganda-Zwecken spätestens 1965 auf 35.000 nach oben korrigiert, während man von Rechts Opferzahlen bis zur einer halben Million zu hören bekam. Die 13-köpfige Historikerkommission stellte nun am 1. Oktober im Rahmen des 47. Deutschen Historikertages die Ergebnisse ihrer Recherchen vor. So kamen nach ihren noch nicht endgültig abgeschlossen Untersuchungen mindestens 18.000 Menschen bei den Luftangriffen ums Leben.
Gerade auch die übertriebenen Opferzahlen haben aus Dresden ein Symbol der Erinnerung an die Opfer zweiten Weltkriegs gemacht, ohne dabei heute noch zwischen Opfern und Tätern zu differenzieren. So äußerte sich etwa das Kommissionsmitglied der Potsdamer Militärhistoriker Rolf-Dieter Müller mit den Worten: „Der Namen Dresden wird immer verbunden bleiben mit einer der schlimmsten Katastrophen des Zweiten Weltkrieges“ und zeigt damit einmal mehr, wie wenig wissenschaftliche Fakten wie die von der Kommission eindeutig widerlegten und demzufolge nie stattgefundenen Tieffliegerangriffe in der Diskussion um eigene Schuld an den Angriffen wert sind, wenn es darum geht, eigene Schuld in irgendeiner Art und Weise abzuwehren, um sich letztendlich selbst in der einseitig geführten Diskussion als Opfer darzustellen.
Im Laufe der von bürgerlicher Seite erstaunlicherweise spärlich besuchten Veranstaltung stellten einige Mitglieder der Kommission ihre mehr oder weniger neuen Erkenntnisse vor bzw. versuchten sie den Eindruck zu vermitteln, als ob sie wesentlich neue Erkenntnisse über tatsächliche Opferzahlen herausgefunden hätten. Leider trugen auch sie wie so oft in der unsachlich geführten Debatte um die Bombardierung zur Mythologisierung bei. Während sie einerseits richtiger weise die Zahlen nach unten korrigieren mussten, um dem Phänomen der Mythologisierung vorzubeugen, bedienten sie auf der anderen Seite immer wieder gern das Bild der unschuldigen im Feuersturm von zumindest moralisch verantwortlichen Kriegsverbrechern zerstörten Stadt. Am Ende (Abschnitt VI.) ihrer Erklärung passiert das, was schon seit Jahren einer der Kritikpunkte aus der Linken ist, nämlich die Gleichsetzung von BewohnerInnen der Stadt Dresden mit den eigentlichen Opfern des NS; ZwangsarbeiterInnen, Kriegsgefangenen aber auch den jüdischen BewohnerInnen der Stadt.
Bezeichnenderweise fand die öffentliche Vorstellung der Ergebnisse im seit Jahren in der Diskussion befindlichen Otto-Beisheim-Saal der Fakultät Wirtschaftswissenschaften statt, der auch schon im Herbst 2003 Schauplatz der Vorstellung von Jörg Friedrichs unsachlichem Buch „Der Brand“ gewesen war. Otto Beisheim war zu Zeiten des Nationalsozialismus Mitglied der Waffen-SS und hat sich bis heute nie öffentlich zu seiner Biographie geäußert, obwohl viele Fakten mittlerweile öffentlich bekannt gemacht worden sind. Die antifaschistische Hochschulgruppe hat die TU-Dresden in der Vergangenheit schon mehrfach dazu aufgefordert, den Saal umzubenennen und dem Eigentümer der Metro AG die Ehrendoktorwürde abzuerkennen. Bis heute verweigert sich die Universität diesem Diskurs und scheint geschichtliche Aufarbeitung anhand von finanziellen Aspekten zu beurteilen. Das ist erschütternd wenn man sich vor Augen hält, dass an der gleichen Stelle von 1939 bis 1945 über 1.000 Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer umgebracht worden sind. Dass sich ausgerechnet eine Historikerkommission die es sich zur Aufgabe gemacht hat, geschichtliche Fakten herauszuarbeiten, diesen Ort zur Präsentation ihrer Ergebnisse auswählt, ist mit dem Wissen um die Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart mehr als bedenklich.
Im nächsten Jahr wollen die Forscher ihren Abschlussbericht vorstellen. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Mal wenigstens auf die Örtlichkeit der Präsentation Rücksicht genommen wird. Am Zustand der Mythologisierung wird sich in Dresden auch mit dem Abschluss der Untersuchung leider nichts verändern, das zeigen einmal mehr die unkritische Verwendung moralisierender Begrifflichkeiten wie etwa die Bezeichnung der Bombardierung als „größte Katastrophe in der Stadtgeschichte“ und die fehlende Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der persönlichen Schuld jeder einzelnen Person im nationalsozialistischen Deutschland auch in Dresden. Es ist wie es ist.
Kein Frieden mit Deutschland!
Deutsche TäterInnen sind keine Opfer!
Quelle: Indymedia (02.10.09)
Veröffentlicht am 14. Oktober 2008 um 14:13 Uhr von Redaktion in Kultur, News