Verfassungsklage gegen Sächsisches Versammlungsgesetz eingereicht
19. August 2010 - 00:08 Uhr - 4 Ergänzungen
Die Opposition aus den Linken, der SPD und den Grünen hat gemeinsam mit Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Ralf Poscher von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg eine Normenkontrollklage vor dem sächsischen Verfassungsgerichtshof gegen das im Eiltempo Anfang des Jahres von CDU und FDP gemeinsam beschlossene überarbeitete Versammlungsgesetz eingereicht.
Das neue Gesetz sieht für Dresden vor allem ein Versammlungsverbot an so genannten „besonderen Orten“ am 13. Februar vor, da es in der Vergangenheit zu „erheblichen Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch Versammlungen von Rechtsextremisten und Gegendemonstrationen von Linksextremisten“ gekommen sein soll. Im Unterschied zum alten gesamtdeutschen Versammlungsgesetz wurden im neuen Gesetz außerdem „auch die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft, sowie die Personen, die gegen eine der beiden Gewaltherrschaften [gemeint ist hier das Dritte Reich und die DDR, Anm. d. Red.] Widerstand geleistet haben“ bzw. allgemein die Opfer von Kriegen in die Betrachtung einbezogen.
In ihrer gemeinsamen Presserklärung verweisen die drei Oppositionsparteien auf mehrere Fehler im Gesetzestext. Zunächst werden mit schwammigen Formulierungen zu niedrige Anforderungen an die Gefahrenprognose der Behörden gestellt, während gleichzeitig das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit hohe Hürden für Versammlungsverbote gelegt hatte.
Die in §15 Absatz 2 (sächs. VersG) angeführten verbotenen Meinungsinhalte sind nach Ansicht von Rechtswissenschaftler Poscher lediglich bei positivem Bezug auf die „nationalsozialistische Gewaltherrschaft“ zu rechtfertigen. Eine Beleg dafür war die Rechtssprechung zu den seit 2005 verbotenen Rudolf-Heß Gedenkmärschen in Wunsiedel.
Die Eingriffsbefugnis für Versammlungen an besonderen Orten ist außerdem ungeeignet, die Menschenwürde bzw. die Würde der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft zu schützen, da es sich bei den im Gesetz aufgeführten Orten nicht um Gedenkstätten im eigentlichen Sinn handelt und auch keine konkrete Opfergruppe benannt wird. Ein Beispiel für einen solchen Ort ist das Holocaust-Mahnmal im Zentrum Berlins.
Ein weiterer Kritikpunkt war die unvollständige Aufzählung der historisch herausragenden Orte. Das eröffnet kommunalen Behörden prinzipiell die Möglichkeit, weitere Orte selbst zu bestimmen und verstößt damit gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz.
In ihren Pressemitteilungen bestätigen die beiden für das Gesetz verantwortlichen Parteien den Eindruck, dass es sich bei den im Januar beschlossenen Änderungen vor allem um Maßnahmen gegen die politische Auseinandersetzung mit dem 13. Februar handelt. Der rechtspolitische Sprecher der CDU, Marko Schiemann, begründete die Änderungen damit, „dass ein würdevolles und friedliches Gedenken an die Opfer und Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945 nicht möglich war“ und mit den neuen versammlungsrechtlichen Möglichkeiten in diesem Jahr erstmals ein friedliches Erinnern erreicht werden konnte. Holger Zastrow, Teilzeitpolitiker und Vorsitzender der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag, erinnert in einer eigenen Pressemitteilung an die verhinderten „Randale und Ausschreitungen rechts- und linksextremistischer Gewalttäter in der Landeshauptstadt“ in diesem Jahr.
Sabine Friedel von der SPD sieht im beschlossenen Versammlungsgesetz einen unverhältnismäßig tiefen Eingriff in die demokratischen Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Für den rechtspolitischen Sprecher der Grünen, Johannes Lichdi, ist der Umgang der Versammlungsbehörde mit der Nazidemonstration in diesem Jahr ein Beleg für die eigentlichen Beweggründe zu den weitreichenden Änderungen im Versammlungsrecht. Während die Nazidemonstration in der Innenstadt mit dem Argument des Gedenkortes und dem Schutz der Opfer verboten wurde, konnte sie stattdessen vor dem Neustädter Bahnhof stattfinden. Am Bahnhof wurden in zwei Deportationszügen während des Zweiten Weltkriegs zahlreiche Dresdner Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager und Ghettos deportiert und anschließend umgebracht. Daran erinnert noch heute eine Gedenktafel am Eingang.
Es bleibt abzuwarten, ob sich die neun Richter bzw. Richterinnen des sächsischen Verfassungsgerichtes den Begründungen des Freiburger Rechtswissenschaftlers anschließen werden oder ob ein endgültiges Urteil möglichweise erst in einigen Monaten vom Bundesverfassungsgericht zu erwarten sein wird.
Veröffentlicht am 19. August 2010 um 00:08 Uhr von Redaktion in Freiräume