Freiräume

Demokratieerziehung made in Sachsen

22. November 2012 - 22:02 Uhr - 2 Ergänzungen

Während Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) angesichts der Kritik am Vorgehen der Polizei in Hoyerswerda im Augenblick um Schadensbegrenzung bemüht ist, wird an der Diskussion um den Doppelhaushalt 2013/2014 deutlich, wohin der Wind im Freistaat in Zukunft wehen wird. In einem Interview mit der Zeit hatte Tillich am Mittwoch behauptet, dass „das Problem des Rechtsextremismus […] in Sachsen immer schon sehr ernst“ genommen wurde und sich erneut für ein Verbot der NPD ausgesprochen. Sachsens Innenminister Ulbig hatte als Reaktion auf die Ereignisse von Hoyerswerda einer Verlegung mobiler Einsatz- und Fahndungstruppen (MEFG) der Polizei in die Region angekündigt und zudem für den 28. November seine Pläne für ein Aktionsforum vorgestellt, in dem die Polizei und der Verfassungsschutz „eine detaillierte Lageanalyse vorlegen und diskutieren“ werden.

Der aktuelle Entwurf für das Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“ sieht zwar im Augenblick eine Erhöhung der jährlichen Ausgaben auf insgesamt 3,26 Millionen Euro vor, doch verbergen sich nach Ansicht der Opposition hinter den Zahlen Kürzungen für zahlreiche Initiativen, die sich zum Teil seit Jahren trotz Bekenntniszwang im Freistaat für demokratische Mitbestimmung und gegen Nazis stark gemacht haben. Mit dem zusätzlichen Geld sollen jedoch nach Aussage von Innenminister Markus Ulbig (CDU) ab dem kommenden Jahr auch „Demokratie-Projekte bei den Jugendfeuerwehren, Sportvereinen, im Katastrophenschutz, bei der Wasserrettung und anderen Trägern unterstützt werden“. Das bedeutet, dass die im vergangenen Jahr noch mit 1,45 Millionen Euro geförderten Vereine und Initiativen ab dem kommenden Jahr nur noch 890.000 Euro erhalten werden. Von den insgesamt 3,26 Millionen Euro aus dem Programm sind nur 1,89 Millionen als Gelder für Freie Träger und Verbände eingeplant, mehr als 300.000 Euro (!) des jährlichen Gesamtetats werden allein für die Evaluation des Programmes veranschlagt, der Rest sind Gelder, die für das Aussteigerprogramm gegen Rechts verwendet werden.

Der Grünen-Politiker Miro Jennerjahn kritisierte die Pläne als „Unverschämtheit“ und warf der Landesregierung vor, damit die Demokratieförderung in Sachsen um Jahre zurückzuwerfen. Er erinnerte in dem Zusammenhang an die „chronische Unterfinanzierung“ der Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt und die Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus und forderte die Landesregierung zu einer Aufstockung des Programmes auf 5 Mio. Euro auf. Auch der Sprecher für demokratische Kultur und bürgerschaftliches Engagement der SPD, Henning Homann, zeigte sich fassungslos und sprach angesichts „der schrecklichen Verbrechen des NSU, der jahrelang von Sachsen aus operierte und hier ein stabiles Unterstützernetzwerk fand“ von einer „fatalen Idee“. Sachsens Ministerpräsident rief er dazu auf, „seine eigene Fraktion zurück[zu]pfeifen“.

Volker Bandmann, der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, forderte die Opposition zu „Mehr Toleranz!“ auf. Jeder, „egal ob Feuerwehr, Kirchen oder politische Vereine“, der sich für mehr Demokratie und Toleranz einsetzt, müsse unterstützt werden, so der CDU-Politiker. Die geänderten Kriterien seien nach Einschätzung von Benjamin Karabinski (FDP) lediglich der Versuch, Demokratieerziehung vor allem im ländlichen Raum „auf breitere Schultern [zu] verteilen und die gesellschaftliche Mitte in diesem Bereich [zu] stärken“. Es sei seiner Ansicht nach „effektiver, wenn bereits bestehende Vereine und Organisationen künftig auch Angebote zur Erziehung für Demokratie und Toleranz durchführen [anstatt] völlig neue, oftmals nur von wenigen Jugendlichen genutzte Projekte“ zu fördern.


Veröffentlicht am 22. November 2012 um 22:02 Uhr von Redaktion in Freiräume

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