Schwarz-Gelb versucht zivilgesellschaftliches Engagement an die Regierung zu binden
2. April 2011 - 09:57 Uhr - 8 Ergänzungen
Ungeachtet des Protestes gegen Extremismusklausel und dem entgegengebrachten Misstrauen gegenüber zivilgesellschaftlichen Initiativen geht die schwarz-gelbe Landesregierung in Sachsen den nächsten Schritt. Wer Geld aus dem sächsischen Förderprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ bekommen will, soll in Zukunft seine Veröffentlichungen dem Ministerium vorlegen und abstimmen.
Diese bundesweit einmalige Regelung sorgt wieder einmal für Kritik in den Reihen von Opposition und Initiativen. Der SPD-Abgeordnete Henning Homann äußerte sich in der „Freien Presse“ kritisch über die Einflussnahme des Ministeriums gegenüber der Initiativen, es „erweckt den Eindruck der Zensur“, so Homann. So werden die Initiativen verpflichtet „in geeigneter Art und Weise Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben“. „Öffentlichkeitsmaßnahmen“ sollen mit der Koordinierungsstelle und der Regiestelle abgesprochen werden. Generell sollen alle Veröffentlichungen dem Ministerium übersendet werden.
Seit mehreren Jahren verzeichnen verschiedene Initiativen und Organisationen einen Anstieg rechter Gewalt in Deutschland. Nehmen die Übergriffe nicht überall quantitiv zu, so stieg vor allem im vergangenem Jahr die Qualität, mit denen Nazis Angriffe auf Menschen und Einrichtungen verübten. Einen Höhepunkt stellte dabei die Brandanschlagswelle in Dresden dar. In einem kurzen Zeitraum verübten bisher mehrheitlich Unbekannte drei Brandanschläge in weniger als zwei Wochen. Neben einer jüdischen Begräbnishalle wurden linke Wohnprojekte als Ziele ausgemacht. In einem Fall wurde ein Tatverdächtiger festgenommen, er ist seit mehreren Jahren in der Naziszene aktiv.
In Sachsen hat sich, aufgrund der breiten Akzeptanz von rechtem Gedankengut und dem Einzug der NPD in den Landtag vor knapp sieben Jahren, eine vielfältige Landschaft zivilgesellschaftlichen Initiativen gebildet. Dieses Engagement wurde bisher aus einem landesweiten Fördertopf „Weltoffenes Sachsen“ unterstützt. Auf Bundesebene ist ebenfalls eine Förderung für solche Initiativen vorgesehen. Seit der schwarz-gelben Koalition auf Bundesebene, die unter Federführung von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) begann die Prioritäten neuzuordnen, wurden auch die Förderrichtlinien verändert. Um Geld von dem bundesweiten Förderprogramm in Anspruch nehmen zu können, bedarf es einer Kofinanzierung auf Landesebene. Im vergangenem Jahr brachte die Ministerin Schröder weitere Vorraussetzungen für die Förderung ein. Mit einem Bekenntnis zum Grundgesetz und der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ soll verhindert werden, dass sogenannte Extremisten Geld in Anspruch nehmen können (Extremismusklausel). Desweiteren sollen sich die Initiativen verpflichten, ihre Partnerinnen und Partner zu überprüfen. Als Informationsquelle sollten unter anderem die Verfassungsschutzämter genutzt werden. Dieser Passus sorgte bundesweit für großen Protest, erinnert er doch sehr an die Beschnüffelungspraxis in der DDR. Hinzu kommt, dass die Informationen des Inlandsgeheimdienst nicht immer gesetzeskonform sind. Das belegen verschiedene Beispiele: In Nordrhein-Westfalen wurde die antifaschistische Zeitschrift „Lotta“ zu Unrecht vom Verfassungsschutz als „linksextrem“ eingestuft, ähnlich ergeht es zum wiederholten Male der Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V. (a.i.d.a.) in Bayern. Eine Studie der Universität Freiburg stellte bereits 2009 fest, dass die meisten Verfassungsschutzberichte schlicht verfassungswidrig sind. Was auch eine über vier Jahrzehnte andauernde Beobachtung des Bremer Menschenrechtlers und Geheimdienstexperten Rolf Gössner festgestellt hat. Das Verwaltungsgericht Köln erklärte die Beobachtungen für rechtswidrig.
In Sachsen fand die Extremismusklausel die erste Anwendung bei der Vergabe des „sächsischen Demokratiepreises“. Unter den Nominierungen befanden sich u.a. das „Alternative Kultur- und Bildungszentrum Sächsische Schweiz e.V.“ (AKuBiZ) und der Dresdner Verein „Bürger.Courage„. Am Abend der Verleihung sorgte AKuBiZ für einen Eklat, weil der Verein den mit 10.000 € dotierten Preis aufgrund der Extremismusklausel nicht annehmen wollte. In einer Debatte im Landtag, in der das Thema Extremismusklausel im Mittelpunkt stand, entfachte sich eine Diskussion um die rechtliche Beurteilung der Klausel. Die Regierungsparteien und die NPD begrüßten die Klausel, wobei die NPD in üblicher Manier gegen die zivilgesellschaftlichen Initiativen hetzte. Jedoch sorgte auch die CDU für Furore, in dem sie das Engagement gegen Rechts mit „übereifrigen“ Feuerwehrmännern verglich, die in Einzelfällen selbst Feuer legen würden. Diese Äußerungen sorgten in den Reihen der Opposition für lautstarke Empörung.
Diese zwangsläufige „Zusammenarbeit“ mit dem Ministerium ist ebenso bindend wie die Extremismusklausel. Initiativen die sich nicht dazu bereit erklären, bekommen in Zukunft keine Förderung durch Landes- und Bundesmittel. Die schwarz-gelben Regierungen sehen scheinbar keinen Grund warum zivilgesellschaftliche Initiativen staatlich unabhängig agieren sollten. Bereits in den Diskussionen um die Extremismusklausel zeigten sich die sächsischen Fraktionen von CDU und FDP diskussionsresistent und die neuen Bestimmungen machen klar, dass keine Opposition oder Kritik aus den Kreisen der Zivilgesellschaft den Kurs verändern würde. Wie stark sie damit die zivilgesellschaftliche Landschaft in Sachsen verändert, bleibt abzuwarten.
Veröffentlicht am 2. April 2011 um 09:57 Uhr von Redaktion in Antifa, Freiräume